Via delle Bocchette - Klettersteigwoche in der Brenta 27.8.-3.9.2023
Die Existenz von zwei Sektionen des Alpenvereins in der kleinen Marktgemeinde Perchtoldsdorf ist historisch bedingt. Sie kann als solches nicht in Frage gestellt werden, sollte aber auch kein Problem darstellen. Warum auch, eint uns doch nicht nur der Wohnsitz sondern auch eine im Alpenverein anzunehmende Freude an der Bewegung in der Natur. Und trotzdem muss ich immer wieder feststellen, dass es nur wenige Berührungspunkte gibt. Ich empfinde Bergsteigen, Wandern, Schitouren, Mountainbiken auch keineswegs als eine Sache für Eigenbrötler. Vielmehr ist die Gemeinschaft in der wir diese Dinge erleben doch ein Multiplikator der empfundenen Freude. Sehr gerne habe ich mich daher der kleinen Gruppe der Sektion Liesing Perchtoldsdorf angeschlossen, als ich eingeladen wurde, die Klettersteige der Brenta mit ihr zu erkunden.
Einige der Teilnehmer kenne ich ohnedies und der Aufstieg zur Brentei Hütte im dichten Regen eignet sich ausgezeichnet für ein erstes Kennenlernen. Alle sind mehr oder weniger nass, alle tragen mehr oder weniger viel mit sich herum und alle haben den Wetterbericht studiert und sind dementsprechend gespannt, wie das Abenteuer weiter gehen wird. Wie schnell so eine Schicksalsgemeinschaft doch funktioniert.
Und auch der dichteste Regen lässt gelegentlich den Blick frei auf die markanten Felswände die ich nur aus Bildern gekannt habe. Einzigartige Strukturen die gerade in diesem Licht etwas Mystisches und Unheimliches, in jedem Fall aber etwas Unwirtliches haben. Sie können schwer verglichen werden mit den dunklen Felsen der Westalpen, die mir mehr vertraut sind. Anders als gewohnt auch die Hütten selbst. Der italienische Touch ist nichtzu übersehen und natürlich die Kulinarik: Primi und secondi piati also zu Beginn immer wieder Pasta al pomodori und zum Abschluss panna cotta als dolce. Hier muss man sich wohlfühlen und das Wetter wird schon besser werden.
Vorerst sieht es eher nicht danach aus, aber es könnte nässer sein und man beschließt es positiv zu sehen. Erste Kletterpassagen schüren die Vorfreude auf die kommende Woche, der erste Aufstieg im Blankeis den Respekt und mit dem Abstieg auf dem Geröll der Endmoräne ist die Tagesetappe auch schon geschafft. Und wir sind gar nicht einmal so nass geworden.
Am Weg von der 12 Apostoli zur Pedrotti Hütte geht es dann richtig los mit den Klettersteigen. Und das heißt vorerst Leitern, Leitern, ein wenig Gletscher und wieder Leitern. Das Pensum ist sichtlich angewachsen, die Passagen sind zum Teil wirklich steil, die Kletterei macht aber Freude und während sich uns die ersten der typischen Bänder eröffnen hat sich das Wetter auch etwas gebessert. Die massiven Wände und imposanten Felsformationen sind oftmals ineinander verschlungen, und im diffusen Licht ist es schwer, die Orientierung zu behalten. Bei der Pedrotti Hütte rätseln wir gemeinsam, wo denn nun Norden ist und sind dann sehr erstaunt über die Auflösung die uns die technischen Errungenschaften des digitalen Zeitalters präsentieren.
An der Via di Bocchette Centrale ist die Bandstruktur extrem ausgebildet. Meist versichert führt der Weg von Süd nach Nord, wechselt von der West‐ auf die Ostseite und schlängelt sich einmal breiter einmal enger, einmal höher und manchmal auch so nieder, dass man ihn gebückt gehen muss, entlang der Felswand dahin. Dazwischen gibt es immer wieder Klettereien, und auch schöne Aussichtspunkte um ‐jetzt endlich im Sonnenschein‐ das Panorama genießen zu können. Cima Tosa, Cima Brenta, Cima Margherita…: Gipfel reiht sich an Gipfel und die Pässe dazwischen werden fast alle von Klettersteigen erschlossen. Abends müssen wir den Weg verlassen um zu einer Hütte zu gelangen steigen aber am folgenden Tag sofort wieder ein.
Mit der Spallone dei Massodi haben auch wir einen Gipfel (für einige der erste 3000er) erklommen und können die Sicht auf die Adamella Gruppe, die Ortlergruppe, die Sella Gruppe … und ganz in der Ferne auch den Alpenhauptkamm wahrnehmen. Die weiteren Gipfel Cima Falkner und Cima Groste´ werden nicht von allen erstiegen, die meisten von uns bleiben auf der via die Bocchette Centrale. Sie endet für uns bei der Bocca die Camosci mit dem endlos langen und erstaunlich beschwerlichen Abstieg zurück in die Zivilisation, die sich uns am Ref. Groste ´mit Seilbahnen und Mountainbikes und hunderten Tagestouristen nicht eben von der besten Seite präsentiert. Es folgt nur mehr der Abstieg zur Valesinella Hütte mit dem man erstmals wieder in grüne Regionen vorstößt.
Finito! Schön wars, aber auch anstrengend und Gott sei Dank ist alles gut gegangen. Jetzt freuen wir uns auf zu Hause. Und doch...
Spätestens, als wir am Weg nach Hause die Voralpen erreichen stellt sich herzhaftes Fernweh ein nach Schotterrutschen, steilen Leitern, nach dem Klicken der Klettersteigsets, nach der ausgelassenen Stimmung und nach den Gipfeln, Felsen und Bändern der Brenta.
Ich bedanke mich sehr bei Alex und Hans für die tolle Organisation und kompetente Führung, bei Hans und Robert für die Chauffeurdienste (die Heimfahrt war extrem anstrengend) und bei allen Mitgliedern der Gruppe für die herzliche Aufnahme in eurer Runde.
Bericht: Barbara Wolfert